Eine kleine Geschichte davon, wie ich begann die kulinarische Karibik zu verstehen.
Der Geschmack der Karibik hat mich von Beginn an fasziniert. Einkaufen auf fremden Märkten, Gerüche, die ich keinen Speisen zuordnen konnte und Produkte, von denen ich nicht wusste, was man damit kocht. Die Karibische Küche hat mich sehr schnell in ihren Bann gezogen – auch wenn ich sie anfangs nicht wirklich verstand.
Mein erster Einkauf in der Karibik
Als wär`s heute, kann ich mich an den Tag erinnern, an dem ich das erste Mal auf einer karibischen Insel einkaufen war. Es war meine erste Saison am Schiff und ich dankbar für die Ankunft in der kleinen Bucht. Nach einer ruhigen überfahrt holten wir die Segel ein und ankerten im türkiesblauen Wasser. Palmen, Mangroven, ein gleißend heller Strand und ein strahlend blauer Himmel – so hatte ich mir die Karibik vorgestellt.
Wir schwammen eine große Runde, zogen uns um und fuhren mit dem Beiboot an Land. Ich wollte einkaufen, um unsere Charter-Gäste mit frischem Obst und Gemüse zu bekochen.
Dunkel, leicht stickig und ziemlich leer
Als ich den kleinen Laden betrat zog ich instinktiv den Kopf ein. Drinnen war’s dunkel, leicht stickig und am liebsten hätte ich mir die Nase zugehalten. Was war das für ein Geruch?!
Als sich meine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, erkannte ich die spärlich mit Konservendosen befüllten Regale, sah einen Korb mit welken Krautköpfen und runzelige Erdäpfel. Braune Wurzeln lagen auf alten Mehlsäcken am Boden, grüne Kochbananen daneben und aus der Ecke hörte ich das Brummen einer alten, verrosteten Tiefkühltruhe. Langsam ging ich durch den Laden und schaute mich um – woher kam dieser stechende Geruch?
Er kam aus einer Ecke, in der runzelig-harte Fische, eingesalzen und getrocknet auf einer niedrigen Holzbank lagen. Ich war fasziniert von ihrem archaischen Aussehen und hätte nur zu gerne gewusst, wie man aus ihnen etwas Essbares machen kann.
So hatte ich mir das Einkaufen in der Karibik nicht vorgestellt
Irgendwie fasziniert stand ich im stickigen Dunkel und hoffte auf eine Eingebung. Wie und vor allem was konnte ich aus diesen Zutaten kochen?!?!? Wo war die üppige Fülle, die exotischen Früchte und das viele Gemüse, das ich auf Fotos und in meiner Fantasie gesehen hatte?
Ohne etwas gekauft zu haben, verließ ich den Laden und ging zurück zum Schiff. Der Weg war schmal und staubig und schlängelte sich zischen kleinen Häuschen, bevor er einen großen Golfplatz umrundete. Ich beobachtete die freilaufenden Hühner und Ziegen und merkte, wie fremd mir die Karibik war und wie viele Fragen ich zur kulinarischen Karibik hatte.
Es gab so viel, dass ich nicht wusste
Ich wollte wissen, was ich aus den braunen Wurzeln und den grünen Kochbananen machen konnte. Ich wollte verstehen, wie aus dem stinkenden Fisch der köstlich-frische Salat Buljohl wird. Ich wollte Rezepte, um mir die Karibik zu erkochen.
Zurück am Schiff hab ich eine Focaccia gebacken und Oliven mit Knoblauch, Chili und getrockneten Kräutern vermischt. Ein kleiner Snack, zum allabendlichen Sundowner, den unsere Gäste so liebten. Aus dem bisschen Gemüse, das wir noch hatten, hab ich ein Curry gekocht und die Reste der Dorade gebraten, die wir am Vortag gefangen hatten. Dazu gabs einen Linsensalat und zur Nachspeise einen Lemon-Pudding Cake. Alle wurden satt und genossen den lauen Abend in dieser wunderbar karibischen Bucht.
Meine Fragen aber blieben und ich war, ehrlich gesagt, sehr froh, als wir am nächsten Tag zu einer der Hauptinseln segelten. Dort ging ich schnurstracks in einen amerikanisch anmutenden Supermarkt, der gefüllt war mit importierten Lebensmitteln. Das war nicht das Einkaufen, dass ich mir vorgestellt hatte, aber ich war froh, wenigstens irgendein Obst und Gemüse zu bekommen.
Heute weiß ich, dass sich die Böden und das Klima auf den flachen Bahamas nicht für die Landwirtschaft eignen und daher nur sehr wenig angebaut und viel importiert wird. Damals aber traf mich das echt unvorbereitet.
Von Insel zu Insel kam ich der karibischen Küche näher
Ein toller Kontrast zu den Bahamas war die nächste Insel. Hoch und grün ragt die Dominikanische Republik aus dem Meer und es gibt Märkte, mit allem, was das Herz begehrt. Ich war im siebenten Himmel!
Während wir die karibische Inselkette entlang Richtung Venezuela segelten, erlebte ich die kulinarischen Unterschiede der Inseln und lernte mit dem sehr unterschiedlichen Angebot von Obst, Gemüse und Lebensmitteln umzugehen.
Und noch etwas viel mir auf. Es gab so gut wie keine wirklich karibischen Kochbücher zu kaufen. Das fand ich spannend und begann den Versuch mich der Karibischen Küche durch Fragen anzunähern.
Die Verkäufer*innen auf den Märkten haben meine Fragen mit leidenschaftlicher Freude beantwortet. Begleitet von kleinen Zungenschnalzern haben sie mir ihre Lieblingrezepte verraten und Tipps für die Zubereitung mit unbekannter Gemüsesorten gegeben. Aber was meinten sie mit „you have to season your fish”, “brown your meat” und “don’t wash down the sweet juices”? Was war das “green seasoning” für das die hier so dünnen und milden Frühlingszwiebel offensichtlich unerlässlich sind? Und was bitte sind die „sweet parts of the bone“?
Je mehr ich fragte, umso weniger verstand ich. Das freudige Zugenschnalzen meiner Gesprächspartner*innen wich immer wieder einem ungläubigen Kopfschütteln. Sie waren ratlos: Was konnte ich an ihren Rezepten nicht verstehen?!?
Beladen mit der üppigen Vielzahl an Obst und Gemüse, die ich bei meinem ersten Einkauf auf den Bahamas vergeblich gesucht hatte, stand ich am Markt und war amüsiert, aber auch etwas ratlos: Was konnte ich noch fragen, um die Karibische Küche zu verstehen?!?
Verschiedene Kulturen haben verschiedene Kochtraditionen
Eines Tages saß ich in Venezuela auf einem wackeligen Plastikhocker am Straßenrand und beobachtete die resolute Besitzerin des Empanada-Standes. Mit einer kurzen, fast gedankenverlorenen Bewegung der Hand nahm sie etwas vom Maisteig und knetete ihn zu einem Ball. Während sie mit einer Kundin plauderte, hantierten ihre flinken Finger mit dem klebrigen Teig. Sie brachten ihn in Form, füllten und verschlossen ihn und ließen ihn letztendlich sanft ins blubbernd heiße Fett gleiten. Ich war fasziniert von dieser scheinbar selbstständigen Arbeit der ihrer Hände und erkannte etwas, das meine Sicht aufs Kochen veränderte.
Nicht nur was, sondern auch wie wir kochen, hat immer was mit der Gegend zu tun, aus der wir kommen.
Diese Frau befand sich nämlich in einer ganz anderen Kochtradition als ich. Sie bediente sich anderer Kochtechniken, sie folgte dem Selbstverständnis einer anderen Kochkultur und verwendete von Geopolitik und Geschichte geprägte Lebensmittel die sich von denen, die ich kenne grundlegend unterschieden.
Und plötzlich war es ganz leicht
Denn diese Erkenntnis veränderte mein Koch-Verständnis und meine Fragen an die karibischen Köch*innen. Ich begann die Dinge zu erkennen, die in der Karibik zu den nicht erwähnenswerten Grundtechniken des Kochens gehören. Abläufe, die sich Köch*innen voneinander abschauen, die wie selbstverständlich von einer Generation an die nächste weitergegeben werden und von denen Außenstehende keine Ahnung haben.
Nach und nach lernte ich die karibischen Grundtechniken kennen und hatte großen Spaß daran unsere Chartergäste immer karibischer zu bekochen. Und auch an Land viel es mir leichter authentische Lokale und versteckte Imbissstände zu finden. Meine Fragen öffneten uns auch an Land die Türe zur kulinarischen Karibik, denn mir wurden winzig kleine Lokale empfohlen und wir waren an komplett versteckten Imbissständen willkommen. Wir erfuhren, wie viel noch am offenen Feuer im Freien gekocht wir, wurden mit traditionellen Stews bekocht und erfuhren dabei unendlich viel über die Menschen und ihr Leben.
Kochen und Essen verbindet.
Ich war in der kulinarischen Karibik angekommen und hatte mich nicht nur in die Karibik sondern auch die Menschen und ihren Geschmack verliebt.
Karibisch Kochen und meine Sommersaisonen in Österreich
18 Jahre lang verbrachte ich die Wintersaisonen segelnd, kochend und Gäste betreuend auf einem Segelschiff in der Karibik und die dazugehörenden Sommersaisonen mit wechselnden Jobs in Wien.
Meine Leidenschaft für die Karibische Küche beschäftigte mich auch in Wien. Meine Sammlung an Karibischen Kochbüchern wuchs und ich fand heraus, wo man in Wien karibische Zutaten kaufen konnte.
Zuhören, Ausprobieren, Scheitern, Fragen, Lernen, … Es hat einige Jahre gebraucht, um die Zusammenhänge der Karibischen Küche zu verstehen. Das ich auf diesem mitunter mühsamen Weg immer weiter gegangen bin, ist unseren Gästen am Schiff zu verdanken. Ihr Interesse an typisch karibischen Zutaten und deren Entstehung und ihre Freude, wenn ich ihnen ein Kreolisches Gericht gekocht habe, hat mich immer wieder motiviert.
Und plötzlich war er da, der Moment als mir klar wurde: Ich werde auf den Karibischen Inseln als Gesprächspartnerin in Sachen Kochen & Zutaten ernst genommen!
Für Tourist*innen war es damals schwierig, richtig karibisch zu essen
Abseits der heimischen Küchen gab es nur wenig Orte, an denen so richtig karibisch gekocht wurde und die sehr verbreitete, stärkelastige Hausmannskost der Karibik mit vielen Stielen, Gräten, Knochen und Knorpeln zum Abnagen ist für uns Europäer*innen nicht ganz das, auf das wir an einem heißen Strandtag Gusto haben.
Mit Vorsicht und Respekt habe ich daher traditionelle, karibische Gerichte in die Gegenwart geholt. Der Kontakt mit Kleinbäuer*innen und Produzent*innen hat mich dabei ebenso inspiriert wie die Veränderung und das hin zu mehr lokalem Gemüse, das ich auf den Märkten und in den Supermärkten der karibischen Inseln miterlebt habe.
2 Antworten
Professionell, wie üblich!
Wunderbar, charmant und gachmackig, deine Website
Danke dir, liebe Daniela 💛 Die Karibik wird für mich immer auch mit dir und deinem köstlichen Essen verbunden sein!