„Sehr geehrte Frau Weissbacher“,
schreibt mein Lieblings-Bio-Spargelbauer Brandenstein,
„da der Winter sehr mild war, rechnen wir mit einem eher frühen Erntebeginn Anfang bis Mitte April.“
Eine Nachricht aus dem Frühling, die beinahe vergessene Gerüche und Geschmäcker in mir weckt…
Bei dem momentanen Wetter kann ich den Frühling ja nur tageweise erahnen, und das ist, neben dem Angebot am Markt, wohl mit ein Grund dafür, dass mir Äpfel, Kraut, die letzten Kürbisse und sämtliches Wurzelgemüse geschmacklich noch sehr nahe sind.
Das satte Grün vom frischen Vogerlsalat bei Helene und das saftige Knacken der ersten Eiszapfen und Radieschen sind für mich noch kleine Sensationen!
Dass die Spargelsaison, unbestritten der kulinarische Frühlingsbeginn, derart bald da sein wird kommt daher durchaus überraschend.
Genauso überraschend wie der Kerbel
den ich am Osterwochenende auf meinem Spaziergang von Krems nach Dürnstein gesehen habe. Schon in Krems konnte ich weder die Kreuzbergstiege, die im Wanderführer als eine der schönsten ihrer Art beschrieben wird, noch den Blick zurück auf die Piaristenkirche, laut Wanderführer ein Muss, wirklich bewundern.
Ich war viel zu sehr mit dem Kerbel beschäftigt.
Mit der Hand über den Kerbelteppich am Wegesrand streichend erwecke ich seinen frischen Geruch mit den deutlichen Anis- und Fenchelakzenten, in denen ich eine Spur Süße erahnen kann.
Sein Blätter, verfeinerte Petersilie!
Bis zu diesem Ausflug war Kerbel für mich ein eher elitäres, empfindsames Pflänzchen und es fällt es mir schwer zu glauben, dass Bauern mit dem wilden Kerbel keine rechte Freude haben, wenn er beginnt ihre Futterwiesen zu überwuchern… Wuchern passt so gar nicht in mein Kerbelbild – auch wenn ich mit eigenen Augen sehe, wie er das kann und wie bescheiden seine Ansprüche dabei offensichtlich sind.
Für mich bleibt Kerbel vorerst noch Teil der vorsichtig zu behandelnden Kräuterelite.
Kerbel gehört zu den französischen fines herbes*, was quasi einem Adelstitel gleich kommt.
Kerbel verwandelt, gemeinsam mit dem Estragon, in der Königsdisziplin der warm gerührten Saucen die Sauce hollandaise in die Sauce béarnaise – ein Platz am Kräuterthron!
Die Angewohnheit schnell müde und welk zu werden, empfinde ich auch weiterhin als einen lieb gewonnen Splen des Kerbels.
Und nein, nicht ein Mangel, nämlich der an ätherischen Ölen, sondern die feine, fast aristokratische Art des Kerbels verbietet es ihn grausam zu erhitzen.
Als königlichen Frühjahrsboten werde ich Kerbel weiterhin fast erhrfurchtsvoll in die fertigen Gerichte einrühren.
*fines herbes ist eine Mischung aus Schnittlauch, Kerbel, Estragon und Petersilie, die in Frankreich fein gehackt über verschiedenste Speisen gestreut werden.
Sehr banal aber doch, Praktisches zum Kerbel:
- Kerbel ist aus Österreich nur im Frühjahr erhältlich, denn wenn es zu warm wird, bildet er sofort Blüten und das passiert auf Kosten der Blätter…
- Kerbel lässt sich gut einfrieren
- Auch in der Küche verträgt Kerbel keine hohen Temperaturen, da verliert er den Geschmack. Am besten also erst in das fertige Gericht einrühren und dann nicht mehr zu stark erhitzen
- Kerbel ergänzt sich geschmacklich sehr gut mit Estragon
- Kerbel unterstreicht die Süße von ganz frischem, weißem Spargel.
Gerne mache ich eine Vinaigrette aus Apfelbalsam, leichtem Olivenöl, einer klein geschnittenen Schalotte, Kerbel, einer Idee mildem Senf, Salz und grünem Pfeffer. Dann gieße ich sie über den noch warmen Spargel – das ist Frühling!