Eine persönliche Kolumne
Graue Regenwolken bedecken den Himmel, der grad noch sonnigwarme Tag wird kühl. Der Mann lässt alles liegen und stehen, eilt hinaus und beginnt mit den Vorbereitungen zur Autowäsche.
„Vollkommen unnötig“ denke ich, die noch nie ein Auto besessen hat, „der Regen würde das bisschen Staub doch mindestens genauso gut vom Auto waschen!“. Es ist ja nicht so, dass ich das Auto nie reinigen würde, aber halt erst dann, wenn es wirklich notwendig ist.
Wäre ich fürs Autowaschen zuständig, ließe ich das Pareto-Prinzip alt aussehen! Das Auto durch den Regen waschen lassen, benötigt nämlich weit weniger als die 20 % des Einsatzes, mit dem sich im Pareto-Prinzip 80 % der Ergebnisse erreichen lassen.
Wenn du dich jetzt fragst, was das Autowaschen mit dem Küche aufräumen zu tun hat: Gibt es Küchenmitbenützer*innen, gilt oft das umgekehrte Pareto-Prinzip: Man benötigt 80 % des Einsatzes um weniger als 20 % des Ergebnisses zu erzielen.
Wann hast du dich z. B. das letzte Mal gefragt, warum es die anderen nicht fertigbringen, die Küche sauber zu halten?
Während du den Esstisch von Butterresten, Marmeladeklecksen und Nougatcreme-Spuren gereinigt hast? Während dem Wegräumen vom ich-mach-mir-nur-schnell-ein-Mittagessen Chaos? Oder während du Flecken von der Arbeitsplatte gewischt hast, von denen wir beide nicht wissen wollen, woher sie stammen?
Nun … vielleicht geht es deinen Küchenmitbenützer*innen wie mir beim Autowaschen: Sie finden das Aufräumen NOCH nicht notwendig.
Geht es um die Küche finde ich es natürlich selbstverständlich, dass alle mithelfen und mein Sauberkeitsempfinden respektieren. Geht es ums Autowaschen erlebe ich wie leicht es ist, das Sauberkeitsempfinden eines anderen als übertrieben zu empfinden und das als Grund zu nehmen nicht zu helfen.
Wie soll ich denn dem Mann beim Autowaschen helfen, wenn er eh seine Routinen hat? Soll ich ihm einfach nur zuschauen? Denn ehrlich, ich hab gar keine Lust, das Auto genauso zu reinigen, wie er sich das vorstellt und das zu einem Zeitpunkt, an dem ich die Notwendigkeit der Autoreinigung nicht erkennen kann und mit ziemlicher Sicherheit etwas anderes vorhätte.
Einmal hab ich den Mann schon zum Autowaschen begleitet, was ihn sichtlich sehr gefreut hat. Aber für mich hat es sich sehr komisch angefühlt, einfach nur vor der Waschbox zu stehen und ihm zuzuschauen. Da konnte ich gar nicht anders, als mich über die vielen verschiedenen Putzschritte zu wundern und die intensiven Gerüche der Wasch- und Poliermittel zu kommentieren. Naja, ob er sich dann immer noch über meine „Hilfe“ gefreut hat, weiß ich nicht, er hat mich jedenfalls seither nicht mehr gefragt, ob ich mitkommen möchte …
Wahrscheinlich ist es ihm lieber, beim Autowaschen Ruhe zu haben. Denn Autowaschen ist ganz offensichtlich etwas, das er sehr gerne tut, sonst würde er es nicht so oft machen! Komisch ist, dass er unlängst mal gesagt hat, die Pflege und Wartung von zwei Autos nähme Zeit in Anspruch, die er lieber für etwas anderes verwenden würde. Ist das Autowaschen also doch nicht sowas wie seine Me-Time?
Ich bin ehrlich verwirrt und weiß nicht recht, was ich tun soll. Würde er sich Hilfe von mir wünschen, bräuchte er es ja nur zu sagen. Oder einfach ein bissl Geduld haben, denn wenn die Autos WIRKLICH dreckig sind, wasche ich sie ja eh.
Vielleicht warte ich einfach mal ab, kann ja sein, dass der Mann seine Freude am Autowaschen wieder entdeckt! Oder ich spreche ihn darauf an und frage ihn, was er beim Autowaschen so abgeben kann, dass ich es gerne übernehme.